Geh nun voran

Noch ein letztes Mal
lass‘ ich meine Finger durch Dein Haar gleiten,
in langsamer Demut.
Zum Abschied, mein Freund,
küss‘ ich Deine Stirn.
So oft meine Tränen schon Dein Fell benetzten,
aufgewühlt, verloren,
wie jetzt auch.

Alles wusstest Du von mir,
jeden Kummer hab‘ ich mit Dir geteilt,
Geheimnisse, die nur Du kanntest,
alles vertraute ich Dir an.
Sicher verwahrt in Deinem Wesen.
Deine liebevollen Augen,
verstehend und geheimnisvoll,
sie bleiben jetzt geschlossen.

Zum letzten Mal vergrab‘ ich mein Gesicht in Dir,
tränendurchnässtes Fell.

Gute Reise, geliebtes Vieh,
Miststück, Zicke, Liebling, Schatz.
Seelentröster und Versteher.

Geh nun voran und warte auf mich hinter dem Regenbogen.

Verloren

Und als Du müde warst,
so
unendlich müde
warst.
Vom langen Kampf.
Dein Gesicht gezeichnet,
schmal und blass.

Aller vergangener Schmerz
tiefe Wunden in dein Gesicht
kratze.
Deine Augen in Höhlen.
So schwarz wie das tiefste
Dunkel meiner hassenden Seele.

Glanzlos.
Als das Leben
aus deinem Blick
verflog.

Dein Körper,
so erschreckend leicht.
Gewichtslos.

Ohne Kraft
Deine Hände
den Halt verloren.
Zu Boden fielen.
Als jeder Ton verstummte,
außer der meiner blinden Wut,
da schien vor dem Fenster
die Sonne.

Scheiß Welt.

Aufbruch

Pack‘ keine Sachen,
lass alles hier.
Wir nehmen mit, was
wir wirklich brauchen
.
Ich Dich, Du mich.
Wir.

Schau in die Weite,
die Kraniche ziehen schon.
Den Herbststurm im Rücken
singen sie ihr Lied;
„Samaha, bist Du dort?“

Lass‘ alles hier,
alle Bürde,
allen Unrat,
alle Erwartungen,
die andere in Dich pressten,
allen Druck,
dem Du dich beugen sollst.
Nie mehr beugen wirst.
Die Kraniche rufen dich.

Nimm meine Hand,
halt’ den Kopf hoch,
spür’ den Wind,
schlag mit den Flügeln.

Die Asche wird bald
erkaltet sein.

weitblickpoesie.de

Sommernacht

Heute hole ich Dich heimlich ab,
es ist eine wunderbare Nacht.
Die Luft ist lau und riecht nach Sommer.
Einen langen Weg gehen wir entlang,
beleuchtet von den Sternen.
Ich erzähle Dir, was ich träumte
und ergreife Deine Hand.

Die Lichter der Stadt bleiben hinter uns,
Sommernachtsgeruch und Rascheln im Dunkeln.
Ein Bach plätschert ruhig vor sich hin,
auf einer Lichtung lassen wir uns nieder.

Deinen Kopf an meiner Schulter,
schauen wir den Leuchtkäfern zu.
Dein Haar duftet nach Apfel und
wir suchen die Venus am Nachthimmel.

Ein Käuzchen ruft in der Nähe,
mir gefällt die Nähe zu Dir.
Lass mich noch einmal Deine schöne Stimme hören.
In dieser schönen Sommernacht.

Freigeist

Du bist der Freigeist, der in jeder Kleinigkeit
Großes sieht.
Du bist die Schöpferin neuer Welten,
durch die verzauberte Wege führen.

Bist die stolze Mutter,
Sturm erprobter Ruhepol.

Dein Lachen endet nicht vor Deinen Augen
Deine Liebe nicht vor Deiner Brust.
Liebst das Leben, bist liebenswert.
Bist Du.
Bist einmalig.

Du

 

Ich seh‘ Dich.

Ich seh’ die Maske nicht,
die Du für die anderen trägst.
Seh‘ das Lächeln nicht,
das Du angeschaltet hast.

Ich seh’ die Maske nicht,
schau direkt durch sie hindurch.
Ich seh‘ die Narben nicht,
die Wunden möcht‘ ich Dir heilen.

Ich schau in Deine Seele,
hell und warm,
seh’ Dein Herz, so groß,
verzweifelt,
und doch
voller Liebe.

Ich seh’ die Maske nicht.
seh‘ die Narben nicht.

Ich seh’ Dich.

Falter