Die Reise des Faun.

Er wanderte über die Höhen, hoch, steil, viele Meter abfallend,
dann wieder in sanften Verwerfungen in die Tiefe gleitend.
Er durchschritt die Täler, weite Ebenen voller glänzender Blüten, reifer Ähren. Bäumen, üppig mit Früchten tragend.
Folgte der Sonne, folgte den Sternen, genoss den Regen.
Er fühlte die Frische am frühen Morgen, die Hitze des Tages. Er fühlte die Kälte der Nacht und die Wärme der Geschöpfe, die seine Nähe suchten.
Und bei Tagesantritt ging er weiter.
Er ging leichtfüßig. Ging nie schnell, hatte Zeit.
All das war sein.
Sein Garten, sein Schutzbefohlener. War sein Reich, voller Kinder, voller Reichtum.
Reichtum für jeden, der den Reichtum sehen wollte, sehen mochte.
Vermochte.
Und mit jedem Schritt, den er weiter ging, mit jedem Gespräch, mit jeder grünen Pflanze, jeder bunten Blüte, mit jedem Hauch flüchtig duftender Luft, mit jedem Schwingenschlag mäjestätischer Greifen, wuchs seine Zufriedenheit.
Und mit jedem Schritt, den er auf warmer, weicher, harter, ehrlicher Erde ging, wurde ihm bewusst.

Das einzige Übel in seinem Reich ist – der Mensch.

Urh. weitblick
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faun

 

Regenzeit

Sie kam ganz still über Nacht.
Erst verhalten flüsternd,
dann mit stetig steigender Kraft.
Erfreut;
die Mutter
öffnet weit ihren Kelch.
Blütenglanz aus Staub erwacht.

Zu lange war die Trockenheit.
Hitze, Sturm und Flammenschlag
hatten sie taub gemacht.

Tropfen
für Tropfen
in sie rinnt.

Tropfen
für Tropfen
die Erlösung bringt.

Regenzeit.

 

Symbiose

Willkommen, müder Wanderer,
leg‘ ab.
Lass Dich an meinem Ufer nieder,
mach‘ Rast.
Ich werde Deinen Durst stillen,
Deine Wunden kühlen,
Dich umsorgen
mit meinem Sein.

Tauch‘ in mich ein,
ohne Rüstung, ohne List,
Alles kannst Du haben
ich schenk’ Dir
was ich zu geben vermag.

Erfrische Dich, denn
Du bereicherst mich.
Erzähle mir von Deinen Reisen.
Voller Wonne meine Wellen
sich bei Deinen Geschichten kräuseln.
Und wenn Du
spät am Abend in meinem Schoße liegst,
dann höre meinem Flüstern zu.
Es erzählt Dir
von meiner Welt.

Ich möchte Dich umschließen,
mit allem
was ich hab’.

 

 

Ich kenne Dich

Ich tauche ein
in Deine schönen Augen.
Betrete Deine Seele,
hell und groß.
Ich spüre Wärme.
Ich kenne Dich,
Du erzählst mir so viel,
wenn Du nicht erzählst.
Zwischen den Zeilen,
in Deinem Schweigen.
 
Du schöne Seele.
Und die dunkle Tür,
mit dem dunklen Raum dahinter,
von dem Du immer ablenkst,
auch die kenne ich.
 
Ich kenne Dich,
so sehr.
(http://weitblickpoesie.de)
 

Frau Luna

Ich spür’ Dich schon,
spür’ Dich schon den ganzen Tag.
Meine Sinne köcheln,
mein Blut, es rauscht.
Ich nehm’ die Witterung auf.

Ich spür‘ Dich schon,
Dein Versteck –
hinter dem Horizont,
es nutzt dir nichts.
Ich spür’ Dich schon den ganzen Tag.

Komm‘ raus,
Vollweib,
dusche mich mit deinem Licht.
Mein Fell,
die Rute,
sie stellen sich auf.

Bring‘ mich zum Heulen,
zieh mich in Deinen Bann,
mit Deiner runden,
üppigen Pracht.
Ich belle Dich an, bin dir verfallen,
in kalter Winternacht.

(weitblickpoesie.de)

 

Frau Luna und der Wolf

Frau Luna und der Wolf

Augusterinnerung

Die Luft hat sich verändert.
Riechst Du es auch?
Der warme, klare Sommer hat sich gewandelt. Heiße Spätsommersonne bringt den Geruch von Ernte, Stoppelfeldern, Holzleitern im Baum. Auf allen Feldern staubt es. Trecker und Mähdrescher fahren die ganze Nacht durch.
Das bringt alte, vergessene Erinnerungen hoch.

Rückwärts reisen die Erinnerungen durch die Zeit.

Wir rennen über das Stoppelfeld, jagen uns, kauen auf Weizenkörner, bauen Burgen aus Strohballen. Zu Hause weckt Mutter Früchte ein. Der alter Holzofen in der Waschküche bullert, bringt die eh schon heiße Spätsommerluft in der Waschküche zum Kochen. Diese roten Einweckgummis liegen im Wasser bereit, jede Menge Packen Gelierzucker stehen auf dem Tisch. Frische Pfirsiche, Kirschen und Mirabellen warten darauf eingeweckt zu werden.
Daneben steht der Saftkocher, leckerer Holundersaft steht schon in dem Glasröhrchen, wird nur von der stählernen Klammer an der Gummitülle zurückgehalten.

Und wir jagen uns über das Stoppelfeld. Die Welt gehört uns. Flink klettern wir in der alten Plantage die Apfelbäume rauf, beißen mit Genuss in herrlich rote Äpfel. Füttern die Kühe die dort auf der Wiese stehen. Daneben steht der alte graue Esel. Auch er bekommt eine Handvoll frisch gerupftes Gras.

Und wir jagen uns weiter, stauen den kleinen Bach, der aus dem schattigen Wald entspringt, kühlen unsere nackten Füße in dem herrlichen klaren Quellwasser. Lassen Boote aus Baumrinden fahren, fangen Grashüpfer in den hohlen Händen.
So vergeht der Tag wie im Flug und wir brechen auf, um nach Hause zu gehen.
Wir gehen den staubigen Feldweg nebeneinander her und versuchen nur auf grüne Grasbüschel zu treten.
„Duuuuu, wenn wir groß sind, willst Du dann mit mir gehen?“

August

 

Die weibliche Festung

Wichtig ist, die Furt zu finden.
Tollkühn durch das Wasser schreiten.
Wichtig ist, den nächsten Schritt zu spüren,
zuversichtlich den Fuß zu setzen.

Kommt er ab, spürt die Beine tief versinken,
bleibt nur der schnelle Rückzug,
verstecke er sich
im Gebüsch,
einem nassen Köter gleich.

Doch allzu oft sah ich starke Kerle ertrinken,
gerüstet und gestriegelt,
im gestreckten Galopp in die Fluten preschend.
Verschlungen in brodelnder Tiefe,
nie mehr gesehen.

Und einen Rat, den geb’ ich euch noch!
Wird die Zugbrücke schon auf weite Ferne
herunter gelassen,
laden bunte Wimpel fröhlich ein:

Gebt Acht,
Gebt Acht!

Urh. weitblick
http://weitblickpoesie.de