Verklebt

Du schließt die Kamera-App.
Nach kurzem Zögern
schaltest du das Smartphone aus.

Die Augen schließt du auch.
Schemenhafte Reste bunter Reels
erlöschen sträubend unter deinen Lidern,
zuckersüße Phantasieverkleber.

Die Brandung hörst du, Wellenkronen
schäumend, brechend, seufzend
über den Sand,
deine Schuhe kühn umspielend.

Du fühlst den Atem , den Wind, die Gischt, über das Meer.
Kraftvoll, frisch und ewig jung, mit deinen Haaren spielt.
„Willkommen“, flüstert er,
„Da bist du ja wieder. Ich hab’ dich gleich erkannt.“

Du fragst dich,
was du verloren hast für das bequeme Leben.
Bist weit gekommen, hast das Glück hier gelassen.
War es das wert?

Nur ein Zelt war es, nur ein Golf mit Choke,
Straßenkarten im Taschenlampenlicht und Wein vom Discounter.
Und der eine, der dich zum Lachen brachte,
nur mit Strand, Zelt, Rilke und Brecht und Sternen über dem Meer.

Geh nun voran

Noch ein letztes Mal
lass‘ ich meine Finger durch Dein Haar gleiten,
in langsamer Demut.
Zum Abschied, mein Freund,
küss‘ ich Deine Stirn.
So oft meine Tränen schon Dein Fell benetzten,
aufgewühlt, verloren,
wie jetzt auch.

Alles wusstest Du von mir,
jeden Kummer hab‘ ich mit Dir geteilt,
Geheimnisse, die nur Du kanntest,
alles vertraute ich Dir an.
Sicher verwahrt in Deinem Wesen.
Deine liebevollen Augen,
verstehend und geheimnisvoll,
sie bleiben jetzt geschlossen.

Zum letzten Mal vergrab‘ ich mein Gesicht in Dir,
tränendurchnässtes Fell.

Gute Reise, geliebtes Vieh,
Miststück, Zicke, Liebling, Schatz.
Seelentröster und Versteher.

Geh nun voran und warte auf mich hinter dem Regenbogen.

Verloren

Und als Du müde warst,
so
unendlich müde
warst.
Vom langen Kampf.
Dein Gesicht gezeichnet,
schmal und blass.

Aller vergangener Schmerz
tiefe Wunden in dein Gesicht
kratze.
Deine Augen in Höhlen.
So schwarz wie das tiefste
Dunkel meiner hassenden Seele.

Glanzlos.
Als das Leben
aus deinem Blick
verflog.

Dein Körper,
so erschreckend leicht.
Gewichtslos.

Ohne Kraft
Deine Hände
den Halt verloren.
Zu Boden fielen.
Als jeder Ton verstummte,
außer der meiner blinden Wut,
da schien vor dem Fenster
die Sonne.

Scheiß Welt.

Mutterherzblut

Ich seh‘ dich leiden.
Dein stolzes Mutterherz,
so groß und warm,
es blutet.

Seine Tür verschlossen,
laute Musik.
Ein schwarzes Profilfoto.
Er antwortet nicht,
auf Dich.

Jeden Schmerz,
das hast Du dir geschworen,
wolltest Du fernhalten
von ihm.

Und doch,
sein gebrochenes Herz.
Du konntest es nicht verhindern.
Es schmerzt Dich fast mehr
als ihn selbst.

Und Du erinnerst Dich zurück,
dass auch Du damals
diesem einen Jungen
das
Herz
brachst.

Bittersüße Liebe.

Aufbruch

Pack‘ keine Sachen,
lass alles hier.
Wir nehmen mit, was
wir wirklich brauchen
.
Ich Dich, Du mich.
Wir.

Schau in die Weite,
die Kraniche ziehen schon.
Den Herbststurm im Rücken
singen sie ihr Lied;
„Samaha, bist Du dort?“

Lass‘ alles hier,
alle Bürde,
allen Unrat,
alle Erwartungen,
die andere in Dich pressten,
allen Druck,
dem Du dich beugen sollst.
Nie mehr beugen wirst.
Die Kraniche rufen dich.

Nimm meine Hand,
halt’ den Kopf hoch,
spür’ den Wind,
schlag mit den Flügeln.

Die Asche wird bald
erkaltet sein.

weitblickpoesie.de

Ich bin bei Dir

Ich bin bei Dir.

Und wenn ich nicht bei Dir sein kann,
so bin ich es in jedem Moment.
Weine um mich,
trauere um mich,
doch verzweifle nicht.

Ich bin bei Dir,
durch deine Gedanken,
durch deine Erinnerungen
lebe ich weiter.

Danke für alles,
was Du mir gabst.
Danke für all‘ Deine Güte,
für die Liebe;
Mutterliebe.

Weine um mich,
doch verzweifle nicht.
Ich bin hier,
warte auf Dich.
Erst wenn Du Dein Leben gelebt hast,
werden wir uns wiedersehen,
uns in die Arme schließen,
bei einander stehen.

Adieu

Adieu!
Viel zu früh.
Gerade erst warst Du angekommen
in der großen Welt,
freudig begrüßt;
vielfach.

So viel wolltest Du sehen,
wolltest noch erwachen,
wachsen,
deine Flügel ausbreiten
über dem großen Tal.

Gleiten, betrachten, erleben.
Wolltest dich mausern,
verlieben,
Leben leben.

All‘ das
wünschten wir Dir.

Adieu,
traurig zieh ich den Hut
vor Dir.
Adieu,
viel zu früh.

 

(weitblickpoesie.de)

Ich bleib‘ bei Dir

Und wenn ich von Dir gehen muss,
mir keine Zeit mehr bleibt,
so bleibe ich Dir treu.
Ich komme zu Dir zurück.
Achte auf meine Zeichen.

Die Vergissmeinnicht,
kleine Farbtupfer im Gras,
sie sind von mir.

Den Amselsänger am Tagesende,
hoch oben ein Lied Dir singt.
Ich habe ihn Dir geschickt.

Achte auf den lauen Wind,
der den Frühling begleitet,
er flüstert Dir meine Liebe ins Ohr.

Das tränende Herz,
es erblüht für Dich
genau so wie
die warme Sonne ,
die Dich an einem Samstag streichelt,
ich bin es.

All die Schmetterlinge,
schicke ich dir,
sie tanzen nur für Dich.

Ich bin bei Dir,
bleibe Dir treu,
in jedem Leben.

 

Urh: weitblick-ly@gmx.de
http://weitblickpoesie.de

th

Gefallen

Ich habe versagt.

Auf dem Boden knie ich,
auf kaltem, nassen Erdenboden.
Dein Körper: Tot. Neben mir.
Meine Flügel: Gebrochen.
Kraftlos,
nutzlos hängen sie an mir herab.

Geliebter Mensch,
Schützling,
ich habe versagt.

Wie oft hielt ich Dich,
als Du drohtest zu fallen,
wie oft lag meine Hand schützend über Dir.
Ich war immer bei Dir,
von Deinem ersten Herzschlag an
war ich in Deiner Nähe,
niemals habe ich geschlafen.
Immer über Dich gewacht.

Doch jetzt habe ich versagt,
mein rettender Griff
entglitt Deiner Hand.

Es gibt nichts,
nichts was mich entschuldigen könnte.

Ich habe versagt.