07.06. Alles Gute zum Geburtstag, Vater.

Um Deine Jugend betrogen,
wurdest in Gefangenschaft erwachsen.
Viel zu spät kamst Du frei.
Die Heimat: abgebrannt,
warst auch hier nur der Flüchtling.

Hast nie zurück geschaut,
stets geschuftet,
bei Null angefangen. Bist nach der Schicht
mit dem Rad
zum nächsten Job gehetzt,
hast uns ein Haus gebaut, die Baugrube mit Hand und Schaufel ausgehoben.

Nie geklagt, fünf Kinder groß gezogen,
Mutter hat jeden Pfennig dreimal umgedreht.
Kein Geld für Tinnef übrig.

Wie unendlich kostbar muss dir dieser eine,
schlichte Silberring,
den ich jetzt in meiner Hand halte,
gewesen sein.

Ich passe gut auf ihn auf.
Danke, Vater.

vater

Seelenflug

Flieg, Seele flieg!
Zu lange warst Du schwach,
zu sehr.
Flieg, wo Du doch das Fliegen liebst.
Hast Dich festketten lassen,
schlugst verzweifelt mit den Flügeln,
vergebens, niedergedrückt am Boden.

Flieg mein Herz, flieg.
Jetzt bist Du frei.

Lass dich nie mehr einsperren.
Nie mehr.

Urh. weitblick
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seelenflug

Des Frühlings letzte Blüte

Wo gehst Du hin,
wenn unser Frühling scheidet?
Wohin wendest Du deine Blüten,
die ich so gern liebkoste?

Wo gehst Du hin,
wenn aller Samen im Wind davon getragen,
wenn alle Farbe in der Sonne verblasst?
Wenn ich Dich bitten würde,
wohin würdest du dann gehen?

Urh. weitblick
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fruehlingsende

Wolfsliebe

Der Wolf ๛

Im Unterholz liegt der Wolf.
Er hat sie gewittert,
schon auf weite Ferne.
Hat sich angeschlichen,
tief in die Pflanzen gedrückt,
lautlos, der Fährte folgend,
gegen den Wind.
Hat gewartet, ist weiter gerobbt,
hat ihren süßen Duft eingesogen und
dabei genüsslich die Lefzen gehoben.
Bis er in ihrer Nähe war.

Im Unterholz liegt der Wolf.
Lässt das Reh nicht aus den Augen.
Stets wachsam, verfolgt voller Verzückung
jede ihrer grazilen Bewegungen.
Berauscht sich an ihrem Duft,
bewundert den Schimmer auf ihrem Fell,
würde gern einmal ganz nah in ihre großen,
glänzenden Augen schauen.

Auf heller Lichtung steht das Reh.
Niemand wird ihm jemals etwas antun.
In ihrer Nähe liegt der Wolf,
passt auf sie auf.

Er liebt das Reh.

Urh. weitblick
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Kalender_2014_06

Prachtweib 2

Prachtweib 2

Entschuldige die kaputten Knöpfe
an der Bluse,
entschuldige die zerzauselte Frisur.
Die Bissspuren an Deinem Hals,
tun mir leid.
Entschuldige die Tasse, die vom Tisch fiel,
ich feg’ die Scherben nachher weg.

Die Strumpfhose kaufe ich Dir neu.
Lass uns nur grad’ ein wenig zu Atem kommen.

Entschuldige, dass du nun zu spät kommst.
Doch ich kann Dir nicht versprechen,
dass es nicht wieder vorkommt,
wenn DU mich so anschaust.

Mein Prachtweib.

Urh. weitblick
http://weitblickpoesie.de

 prachtweib2

Du und Ich

Du und ich in der Nacht,
wenn die Schatten unserer Körper
Mondlichthell in einem verwegenen Eins verschmelzen.

Du und ich in der Nacht,
wenn die Maikäfer freudig einen
Hochzeitstanz aufführen.

Du und ich in der Nacht,
wenn das Käuzchen nicht glaubt,
was es sieht.

duundich